Kategorie: Literatur

Ausgelesen: The Soul of a New Machine von Tracy Kidder

Was bewegt einen, im Zeitalter von allgegenwärtigen Smartphones und zunehmend leistungsfähigerer AI eine Reportage über computer engineering zu lesen, die inzwischen mehr als vierzig Jahre auf dem Buckel hat? Um ehrlich zu sein: Ich war mir da selbst nicht so sicher, denn ich habe keine Ahnung, wie das Buch überhaupt in meinem Einkaufswagen gelandet ist. (Meine Vermutung lautet dahingehend, dass es beim Stöbern durch englischsprachige Angebote irgendwie seinen Weg in mein Bewusstsein gefunden haben muss.) Nun gut, der Autor hat damit immerhin einen Pulitzer-Preis gewonnen, da kann man dann schon mal reinlesen…

Project „Eagle“

The Soul of a New Machine erschien erstmals 1981 und verfolgt die Entwicklung eines Minicomputers, Codename „Eagle“, der Firma Data General. Wobei die Bezeichnung „Minicomputer“ aus heutiger Sicht vielleicht etwas irreführend sein könnte, handelt es sich doch um eine Maschine von der Größe eines mehrteiligen Küchenschrankes und mit einem Bruchteil der Rechenleistung heutiger Smartphones, aber eben deutlich kleiner als die rechenstarken, allerdings deutlich größeren Mainframes jener Zeit. Nicht zu verwechseln ist die Gattung ferner mit jenen „Heimcomputern“, die Ende der 70er und Anfang der 80er zwar ebenfalls ihren Siegeszug antraten (der legendäre Apple II erschien schon 1977 auf dem Markt, bevor 1981 als Reaktion darauf der erste IBM-PC erschien), aber mit ihrer verminderten Rechenleistung auf ein völlig anderes Publikum abzielten.

Das Buch beginnt mit Firmeninternen Konflikten: Ein Großteil der Data General-Ingenieure wurde für die Arbeit an dem Prestigeprojekt der Firma, Codename „Fountainhead“ am neu eingerichteten Standort in North Carolina verpflichtet, während die verbliebenen Ingenieure am Hauptsitz in Westborough, Massachusetts, eigentlich nur noch mit der Wartung bzw. Verbesserung bestehender Produkte beschäftigt sein sollen.
Tom West jedoch, der leitende Entwickler in Westborough, will sich nicht so schnell damit abfinden und kann sich schlussendlich mit seinen Plänen durchsetzen, eine Art Backup für das Fountainhead-Projekt im Falle von dessen Scheitern oder einer Verzögerung seiner Fertigstellung zu entwickeln. Im auch damals schon schnelllebigen Geschäftsfeld der Computertechnologie droht Data General nämlich gerade den Anschluss an den Hauptkonkurrenten Digital Equipment Corporation, kurz DEC, zu verlieren.

Die Seele der neuen Maschine

Zu sagen, dass das Buch nun den Entwicklungsschritten von „Eagle“ von der Idee über die Planung bis hin zum Bau und der Marktreife folgt, wäre zwar nicht falsch, aber es griffe doch deutlich zu kurz. Kidder entwirft vielmehr eine Reihe von Mikro-Biographien der beteiligten Akteure: Vor dem Hintergrund der jeweils zu bewältigenden Aufgabe beleuchtet er den Charakter, den Werdegang und die Motivation seiner Protagonisten, ihre Stärken und Schwächen.
Nicht wenige der Tüftler wurden direkt von der Uni rekrutiert, eine Idee, die vor allem der Erwartung entsprang, engagierte junge Köpfe zu gewinnen, die für die Sache selbst brennen ohne sich um solche „Lappalien“ wie Arbeitszeiten, unbezahlte Überstunden oder generell die Höhe ihres Gehalts zu scheren. Aber auch von den alteingesessenen Mitarbeitern wird letztlich nichts anderes erwartet, als sich ganz und gar der Sache zu verschreiben. Schließlich geht es um nichts geringeres, als eine Maschine mit ihrem Namen darauf „aus der Tür zu bringen“, wie es im Buch so schön heißt.
Eben jene Mitarbeiter sind für Kidder die Seele der Maschine, nach der er sein Buch benannt hat. Und die meisten von ihnen, wenn nicht sogar alle, dürften ihre Seele dafür verkauft haben.

Rück- und Ausblick

Ich weiß nicht, wieso, aber auf eine sehr seltsame Weise packen mich Erzählungen aus der Pionierzeit der immer kleiner und immer erschwinglicher werdenden Computer immer wieder. Und ohne die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen oder den grenzwertig-menschenverachtenden Führungsstil – im Buch wird dafür der Begriff „Mushroom Management“ geprägt: „keeping them in the dark, feeding them shit, and watch them grow“ – in irgend einer Weise glorifizieren zu wollen – aber die Begeisterung und der Enthusiasmus mit denen alle Beteiligten ihre Talente zum Einsatz bringen, ist schon irgendwie berauschend zu lesen.

In gleich mehrerer Hinsicht erinnerte mich das Buch an die 2017 nach nur vier Staffeln in meinen Augen leider zu früh abgesetzte AMC-Serie Halt and Catch Fire und es würde mich ausgesprochen wundern, wenn den Autoren das Buch nicht bekannt gewesen wäre, als sie die Serie schrieben. Sowohl die Grundzüge einiger Charaktere, als auch Teile der Storyline – etwa das Reverse Engineering der Konkurrenz-Hardware – scheinen 1:1 von Kidders Protagonisten entlehnt zu sein.

Lohnt es sich also, nach nunmehr bald 42 Jahren, die seit der Erstveröffentlichung verstrichen sind, dieses Buch zu lesen? Das wird jeder für sich beantworten müssen und vermutlich auch stark davon abhängen, wie Computer-affin er oder sie ist. Für ein Buch, auf das ich eher durch Zufall gestoßen bin, habe ich es jedenfalls außerordentlich zügig durchgelesen und dabei jede Seite genossen. Und gerade wenn ich mir die Entwicklungen der letzten Monate anschaue und mit welcher Inbrunst auch Einzelpersonen am Training neuer AI-Modelle werkeln – und welche Ergebnisse sie erzielen – dann opfern viele auch heute noch ihre Seelen der neuen Maschine.


Tracy Kidder
The Soul of a New Machine*
Boston: Little, Brown and Company
1981
ISBN: 978-0-316-49170-9

Der Dichter

Die ihr beim frohen Mahle lacht,
Euch eure Blumen zieht in Scherben
Und, was an Gold euch zugedacht,
Euch wohlbehaglich laßt vererben,
Ihr starrt dem Dichter ins Gesicht,
Verwundert, daß er Rosen bricht
Von Disteln, aus dem Quell der Augen
Korall‘ und Perle weiß zu saugen;

Daß er den Blitz herniederlangt,
Um seine Fackel zu entzünden,
Im Wettertoben, wenn euch bangt,
Den rechten Odem weiß zu finden:
Ihr starrt ihn an mit halbem Neid,
Den Geisteskrösus seiner Zeit,
Und wißt es nicht, mit welchen Qualen
Er seine Schätze muß bezahlen.

Wißt nicht, daß ihn, Verdammten gleich,
Nur rinnend Feuer kann ernähren,
Nur der durchstürmten Wolke Reich
Den Lebensodem kann gewähren;
Daß, wo das Haupt ihr sinnend hängt,
Sich blutig ihm die Träne drängt,
Nur in des schärfsten Dornes Spalten
Sich seine Blume kann entfalten.

Meint ihr, das Wetter zünde nicht?
Meint ihr, der Sturm erschüttre nicht?
Meint ihr, die Träne brenne nicht?
Meint ihr, die Dornen stechen nicht?
Ja, eine Lamp‘ hat er entfacht,
Die nur das Mark ihm sieden macht;
Ja, Perlen fischt er und Juwele,
Die kosten nichts – als seine Seele.

— Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848)

Poesie

Poesie ist tiefes Schmerzen,
Und es kommt das echte Lied
Einzig aus dem Menschenherzen,
Das ein tiefes Leid durchglüht.

Doch die höchsten Poesien
Schweigen wie der höchste Schmerz,
Nur wie Geisterschatten ziehen
Stumm sie durchs gebrochne Herz.

— Justinus Kerner (1786-1862)

Vampire gehören ja irgendwie zu meinen (wissenschaftlichen) Steckenpferden. Bei der Lektüre von Peter Mario Kreuters „Der Vampirglaube in Südosteuropa“ ((Kreuter, Peter M.: Der Vampirglaube in Südosteuropa. Studien zur Genese, Bedeutung und Funktion. Rumänien und der Balkanraum, Berlin 2001, S. 190.)) bin ich auf dieses Fundstück des Autors gestoßen, das eigentlich zu schön ist, um es nicht zu teilen. Allerdings ist die Qualität des Abdrucks in besagtem Buch nicht gerade die beste, weshalb ich mich nach einer anderen Quelle umgesehen habe. Die Grafik stammt aus Wilhelm Buschs „Naturgeschichtlichem Alphabet“ und ist in den „Fliegenden Blättern“ von 1860 erschienen:

Quelle

Entnommen aus: „Fliegende Blätter“, Bd. 33, München 1860, S. 30. Digitalisiert und unter einer Creative Commons-Lizenz CC-BY-SA 3.0 DE zur Verfügung gestellt durch die Universitätsbibliothek Heidelberg. ((Bei Gelegenheit muss mir aber mal noch jemand erklären, wie man eigentlich gemeinfrei Inhalte — Wilhelm Busch ist 1908 gestorben, das Copyright somit erloschen — eigenmächtig unter eine CC-Lizenz stellen kann. Natürlich kann ich verstehen, dass die UB Heidelberg für die Leistung der Digitalisierung honoriert werden möchte, was aber doch am Copyright selbst nichts ändern dürfte, oder?))

Frankfurter Buchmesse 2013

Es ist inzwischen zu einem Ritual geworden, dass ich mich an beiden Besuchertagen durch die Buchmesse schlage. Zwar wäre es als Student auch möglich zu den Fachbesuchertagen zu gehen, aber das ist a) trotz Ermäßigung noch saumäßig teuer und b)unnötig, wenn man aus der Erfahrung gelernt hat, wie man den größten Menschenmassen aus dem Weg geht, um trotzdem alles zu sehen. Lediglich wenn man bestimmte Veranstaltungen sehen möchte, muss man sich dann ins arge Getümmel stürzen. Einen groben Plan zu haben, was man besuchen möchte, mag zwar hilfreich sein, erfahrungsgemäß hält man sich aber dann doch nicht dran oder das Gedränge ist trotz des eingerechneten Puffers noch zu groß, um rechtzeitig vor Ort zu sein. Viel schöner ist es ohnehin sich durch das Treiben treiben zu lassen und mal hier, mal da halt zu machen.

Fast zwei Wochen ist der Trubel nun schon wieder her ohne dass ich dazu gekommen wäre, diesen Beitrag endlich zu einem Abschluss zu bringen. Inzwischen haben meine Füße längst wieder aufgehört zu schmerzen, der enorme Papierstapel in Form von Prospekten, Flyern etc. neben meinem Bett hat wieder abgenommen und schließlich ist dann doch dieser Text hier ist entstanden. Es folgt meine persönliche Nachlese der Frankfurter Buchmesse 2013.

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Über was für eine wundervolle Ergänzung zu meinem Aléa Torik-Artikel ich mit diesem Zitat der Autorin Felicitas Hoppe, deren fiktive Biographie 2012 unter dem Titel Hoppe erschien, ich doch gestolpert bin.

„Wir handeln mit Schicksalen in der Literatur, und wer keins hat, der tut so, als hätte er eins. Die Literatur und der Literaturmarkt leben vom Drama.“

Felicitas Hoppe im Interview mit Lena Vöcklinghaus, in: BELLA triste, Ausgabe Sommer 2013, S. 97.

Die fiktive Autorin – Aléa Torik

„[…] ‚Darf‘ ein Autor eine Identität inszenieren, um seine Bücher an den Mann zu bringen? Darf der Roman also auf das Leben des Autors übergreifen bzw umgekehrt, darf man sich selbst zur Romanfigur machen, die man dann ein Buch schreiben lässt? […]“ Juli Zeh am 4. Juni auf Facebook

Diese Fragen stellte Juli Zeh als Reaktion auf einen schon etwas zurückliegenden Artikel des „Buecherbloggers“, in dem sich selbiger über die Fiktionalität einer Autorinnenidentität brüskiert. Aber der Reihe nach.

Hätte nicht ausgerechnet Juli Zeh diese Frage gestellt, ich hätte sie aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem Kopfschütteln abgetan und als engstirnig oder spießbürgerlich angesehen. ((Sie selbst weist in einem späteren Kommentar darauf hin, dass die Frage nicht so sehr normativ zu verstehen sei, sondern auf die gesellschaftliche Akzeptanz einer solchen Täuschung abziele. In der Folge entbrennt eine Diskussion, in die sich schließlich Aléa Torik selbst einklinkt, die/der dafür eigens einen Facebook-Account eingerichtet hat. Auf den genauen Diskussionsverlauf kann hier nicht näher eingegangen werden, sie diente lediglich als Anregung für die vorliegende Auseinandersetzung mit dem Thema.)) So aber sah ich mich gezwungen, mich von meiner etwas oberflächlichen Betrachtungsweise zu verabschieden und mich etwas in die Materie einzuarbeiten.

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