Monat: Februar 2023

Drucker-Setup mit Java-Applets?

Nachdem ich gestern sehr viel Arbeitszeit darein versenkt habe, die Einrichtung eines Netzwerkdruckers abzuschließen ohne im Netz einen wirklich hilfreichen Beitrag zu finden, der mir diese Aufgabe erleichtert hätte, muss ich wohl oder übel selbst diesen Beitrag verfassen. Here we go.

Das Problem

An meinem Arbeitsplatz haben wir einen Lexmark XS950de rumstehen, der bislang nur kopieren konnte. Weil das ein bisschen so ist wie einen High-End-Gaming-PC zu kaufen, um nur Office-Anwendungen darauf laufen zu lassen, sollte der ins Netzwerk eingebunden werden, um vom Rechner aus darauf drucken oder damit Dokumente scannen zu können. Soweit die Theorie.
Schon die Installation des Druckertreibers gestaltete sich als, sagen wir mal… „interessant“, da Lexmark auf der Produktseite nur die Firmware verlinkt hat, nicht jedoch den Treiber. Diesen findet man, wenn man nach der übergreifenden Serie sucht anstatt nach dem exakten Modell… Sei’s drum, damit konnte man jetzt immerhin schon mal drucken.
Jetzt bietet das Teil aber natürlich noch jede Menge weiterer Funktionen und vor allem Konfigurationen an – wie etwa den Versand via Mail oder das Übermitteln via FTP. Um diese Einstellungen vornehmen zu können, verfügt der Drucker über einen eingebauten HTML-Server; d.h. man ruft die IP-Adresse im Browser auf und findet sich auf einer Benutzeroberfläche wieder, mit deren Hilfe man die gewünschten Einstellungen vornehmen kann. Einige können über diese einfache HTML-Oberfläche gesetzt werden, andere – und damit kommen wir zum Kern des Problems – benötigen Java-Applets, um zu funktionieren: Eine Technologie, die zur Zeit ihrer Entstehung in den 90ern zwar ihre Berechtigung hatte, heute jedoch vollkommen überholt ist. Chrome etwa stellte den Support dafür bereits 2015 ein…

Die Lösung

Dass Browser heutzutage flächendeckend keine Java-Applets mehr unterstützen, wurde mir dann aber auch erst klar, nachdem ich sowohl Firefox, Chrome, Opera und in meiner Verzweiflung sogar Edge ausprobiert hatte. Nicht einmal der stets treu antiquiert zur Seite stehende Internet Explorer ließ sich zur Mitarbeit bewegen, leitet er doch glatt jede Eingabe sofort an Edge weiter. Während ich viel zu lange googelte und mich simultan fragte, welch antiquiertes Stück Technik ich wohl aus den Tiefen meiner Kellerregale angeln könnte, um womöglich doch noch erfolgreich die Konfiguration abschließen zu können, schlich sich eine sowohl plausible wie auch bemerkenswert simple Lösung in mein Bewusstsein:

Hier kann man sich die alten Versionen von Firefox Portable herunterladen. Meines Wissens nach sollte v51.0 von 2017 eine der letzten sein, die noch Java unterstützt haben.

Ich habe letztlich sogar eine noch deutlich ältere Version eingesetzt. (Dass man mit solch alten Browserversionen tunlichst nichts anderes mehr machen sollte, brauche ich hoffentlich nicht eigens zu erwähnen.) Jedenfalls: Der Plan ging auf und ich konnte schlussendlich mit der Einrichtung fortfahren. Jetzt muss ich nur noch herausfinden, was alle die tollen Stellschrauben, die sich mir damit aufgetan haben, tatsächlich in der Praxis bewirken…

Ausgelesen: The Soul of a New Machine von Tracy Kidder

Was bewegt einen, im Zeitalter von allgegenwärtigen Smartphones und zunehmend leistungsfähigerer AI eine Reportage über computer engineering zu lesen, die inzwischen mehr als vierzig Jahre auf dem Buckel hat? Um ehrlich zu sein: Ich war mir da selbst nicht so sicher, denn ich habe keine Ahnung, wie das Buch überhaupt in meinem Einkaufswagen gelandet ist. (Meine Vermutung lautet dahingehend, dass es beim Stöbern durch englischsprachige Angebote irgendwie seinen Weg in mein Bewusstsein gefunden haben muss.) Nun gut, der Autor hat damit immerhin einen Pulitzer-Preis gewonnen, da kann man dann schon mal reinlesen…

Project „Eagle“

The Soul of a New Machine erschien erstmals 1981 und verfolgt die Entwicklung eines Minicomputers, Codename „Eagle“, der Firma Data General. Wobei die Bezeichnung „Minicomputer“ aus heutiger Sicht vielleicht etwas irreführend sein könnte, handelt es sich doch um eine Maschine von der Größe eines mehrteiligen Küchenschrankes und mit einem Bruchteil der Rechenleistung heutiger Smartphones, aber eben deutlich kleiner als die rechenstarken, allerdings deutlich größeren Mainframes jener Zeit. Nicht zu verwechseln ist die Gattung ferner mit jenen „Heimcomputern“, die Ende der 70er und Anfang der 80er zwar ebenfalls ihren Siegeszug antraten (der legendäre Apple II erschien schon 1977 auf dem Markt, bevor 1981 als Reaktion darauf der erste IBM-PC erschien), aber mit ihrer verminderten Rechenleistung auf ein völlig anderes Publikum abzielten.

Das Buch beginnt mit Firmeninternen Konflikten: Ein Großteil der Data General-Ingenieure wurde für die Arbeit an dem Prestigeprojekt der Firma, Codename „Fountainhead“ am neu eingerichteten Standort in North Carolina verpflichtet, während die verbliebenen Ingenieure am Hauptsitz in Westborough, Massachusetts, eigentlich nur noch mit der Wartung bzw. Verbesserung bestehender Produkte beschäftigt sein sollen.
Tom West jedoch, der leitende Entwickler in Westborough, will sich nicht so schnell damit abfinden und kann sich schlussendlich mit seinen Plänen durchsetzen, eine Art Backup für das Fountainhead-Projekt im Falle von dessen Scheitern oder einer Verzögerung seiner Fertigstellung zu entwickeln. Im auch damals schon schnelllebigen Geschäftsfeld der Computertechnologie droht Data General nämlich gerade den Anschluss an den Hauptkonkurrenten Digital Equipment Corporation, kurz DEC, zu verlieren.

Die Seele der neuen Maschine

Zu sagen, dass das Buch nun den Entwicklungsschritten von „Eagle“ von der Idee über die Planung bis hin zum Bau und der Marktreife folgt, wäre zwar nicht falsch, aber es griffe doch deutlich zu kurz. Kidder entwirft vielmehr eine Reihe von Mikro-Biographien der beteiligten Akteure: Vor dem Hintergrund der jeweils zu bewältigenden Aufgabe beleuchtet er den Charakter, den Werdegang und die Motivation seiner Protagonisten, ihre Stärken und Schwächen.
Nicht wenige der Tüftler wurden direkt von der Uni rekrutiert, eine Idee, die vor allem der Erwartung entsprang, engagierte junge Köpfe zu gewinnen, die für die Sache selbst brennen ohne sich um solche „Lappalien“ wie Arbeitszeiten, unbezahlte Überstunden oder generell die Höhe ihres Gehalts zu scheren. Aber auch von den alteingesessenen Mitarbeitern wird letztlich nichts anderes erwartet, als sich ganz und gar der Sache zu verschreiben. Schließlich geht es um nichts geringeres, als eine Maschine mit ihrem Namen darauf „aus der Tür zu bringen“, wie es im Buch so schön heißt.
Eben jene Mitarbeiter sind für Kidder die Seele der Maschine, nach der er sein Buch benannt hat. Und die meisten von ihnen, wenn nicht sogar alle, dürften ihre Seele dafür verkauft haben.

Rück- und Ausblick

Ich weiß nicht, wieso, aber auf eine sehr seltsame Weise packen mich Erzählungen aus der Pionierzeit der immer kleiner und immer erschwinglicher werdenden Computer immer wieder. Und ohne die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen oder den grenzwertig-menschenverachtenden Führungsstil – im Buch wird dafür der Begriff „Mushroom Management“ geprägt: „keeping them in the dark, feeding them shit, and watch them grow“ – in irgend einer Weise glorifizieren zu wollen – aber die Begeisterung und der Enthusiasmus mit denen alle Beteiligten ihre Talente zum Einsatz bringen, ist schon irgendwie berauschend zu lesen.

In gleich mehrerer Hinsicht erinnerte mich das Buch an die 2017 nach nur vier Staffeln in meinen Augen leider zu früh abgesetzte AMC-Serie Halt and Catch Fire und es würde mich ausgesprochen wundern, wenn den Autoren das Buch nicht bekannt gewesen wäre, als sie die Serie schrieben. Sowohl die Grundzüge einiger Charaktere, als auch Teile der Storyline – etwa das Reverse Engineering der Konkurrenz-Hardware – scheinen 1:1 von Kidders Protagonisten entlehnt zu sein.

Lohnt es sich also, nach nunmehr bald 42 Jahren, die seit der Erstveröffentlichung verstrichen sind, dieses Buch zu lesen? Das wird jeder für sich beantworten müssen und vermutlich auch stark davon abhängen, wie Computer-affin er oder sie ist. Für ein Buch, auf das ich eher durch Zufall gestoßen bin, habe ich es jedenfalls außerordentlich zügig durchgelesen und dabei jede Seite genossen. Und gerade wenn ich mir die Entwicklungen der letzten Monate anschaue und mit welcher Inbrunst auch Einzelpersonen am Training neuer AI-Modelle werkeln – und welche Ergebnisse sie erzielen – dann opfern viele auch heute noch ihre Seelen der neuen Maschine.


Tracy Kidder
The Soul of a New Machine*
Boston: Little, Brown and Company
1981
ISBN: 978-0-316-49170-9

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